Geschichte

Aufgrund des ältesten Teiles der Burg, des Bergfrieds, lassen sich die ersten Anfänge von Schloss Neubeuern in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts ansetzen. Die Burg gehörte ursprünglich zum Herrschaftsbereich der Bischöfe von Regensburg. Während der Auseinandersetzungen des Hochstifts mit dem bayerischen Herzog Ludwig im 13. Jahrhundert wurde sie dem Grafen Konrad von Wasserburg zur Verwaltung übergeben.

 

Burg Neubeuern nach Jost Amann (1563)

Er soll eine gewaltige Ringmauer mit neun Türmen errichtet und die Feste zur stärksten Burganlage des Inntales ausgebaut haben. Im Jahre 1388 jedoch verkaufte der Regensburger Bischof die Burg an den Ritter Hartprecht Harskirchen auf Zangenberg, den Kammermeister des Herzogs Friedrich von Bayern-Landshut. Über dreihundert Jahre Regensburger Herrschaft waren damit für Neubeuern abgeschlossen.
12 Jahre später erwarb Ritter Wolfhart von der Alben die Burg, verkaufte sie jedoch schon 1403 weiter an den Ritter Jakob von Thurn. Das Geschlecht der Thurner hatte sich von kleinen erzbischöflichen Dienstmannen in den Salzburger Herrenstand emporgearbeitet. In deren Besitz blieb die Burg über zweihundert Jahre bis mit dem Beginn des 17. Jahrhunderts die Herrschaft der Thurner zu zerbröckeln begann.
„Sammler“ der Thurnerischen Besitzungen in Neubeuern wurden ab 1668 die Grafen von Preysing-Hohenaschau. Den Dreißigjährigen Krieg hatten die Burg und der Markt relativ unbeschadet überstanden, doch im Österreichischen Erbfolgekrieg zerstörten ungarische Truppen Neubeuern. Was von der Burg übrig blieb, wurde gesprengt.
Graf Max IV. Emanuel von Preysing-Hohenaschau (1739–1764) beauftragte daraufhin den Münchener Stadtbaumeister Ignaz Anton Gunetzrhainer, zusammen mit seinem Bruder Johann Baptist Gunetzrhainer, die Anlage im Stile der bairisch tirolerischen Herrensitze vollkommen neu zu gestalten (1747–1752).

Schloss Neubeuern 1911 von F.W. Doppelmayr

Auch die Schlosskapelle St. Augustin wurde wieder aufgebaut. Bei der Ausgestaltung wirkten Johann Baptist Zimmermann (Hochaltar mit Säulenaufbau im Wessobrunner-Stuckmarmor-Stil) und Joseph Götsch mit, der die beiden Seitenaltäre 1767/68 schuf (Taufe Christi und Martyrium des Hl. Sebastian). Die Schlosskapelle St. Augustin zählt zum bayerischen Rokoko und ist das Ziel kunsthistorisch interessierter Besucher Neubeuerns.
Graf Johann-Christian Preysing starb im Jahre 1833. Der Besitz blieb noch rund dreißig Jahre in Händen von Nachfahren und konnte schließlich auch von ihnen nicht mehr gehalten werden.
Im Jahr 1882 erwarb Jan Wendelstadt, Sohn des Gründers des „Darmstädter Bankvereins Ferdinand Wendelstadt“ mit seiner Mutter, einer holländischen Aristokratin, das Schloss.

Jan von Wendelstadt mit seiner Mutter und Gästen um 1895

Im Oktober 1895 heiratete dieser Julie Gräfin von Degenfeld-Schonburg, eine Hofdame der Königin von Württemberg, die dadurch als Freifrau von Wendelstadt Herrin auf Schloss Neubeuern wurde. Damit war der Anschluss an den schwäbisch-deutschen Uradel vollzogen.

Südansicht des Schlosses um 1900

Nachdem bereits 1893 nach einem Brand der Ostteil des Schlosses renoviert worden war, ließ der Baron den Mittelbau des Schlosses zwischen 1904 und 1908 neu errichten. Er beauftragte damit den Architekten Gabriel von Seidl, der durch den Bau des Bayerischen Nationalmuseums bekannt geworden war. Der neue Mittelbau, der im Stil der Neorenaissance gestaltet wurde, zeichnet sich durch sein weitläufig angelegtes Treppenhaus und die prunkvollen Räumlichkeiten aus.


Schloss Neubeuern von Westen um 1910

Die Ehe des Jan von Wendelstadt mit Julie von Degenfeld war kinderlos geblieben. So verbrachte die Baronin die Jahre nach dem Tod ihres Mannes 1909 vorwiegend mit ihrer Schwägerin Gräfin Ottonie von Degenfeld und anderen ihr geistig verwandten Menschen. Sie bildete um sich einen Freundeskreis aus künstlerisch-schöpferischen Menschen, zu dem unter anderen Schriftsteller und Dichter wie Hugo von Hofmannsthal, Annette Kolb, Rudolf Alexander Schröder, Rudolf Borchardt, Henry van de Velde, Harry Graf Kessler, Eugen Roth, Carl Burckhardt, Henry von Heiseler, der Musiker und Komponist Max von Schillings und der Kunsthistoriker und Krupp-Direktor Eberhard von Bodenhausen gehörten. Dazu kamen bekannte süddeutsche Maler wie Carl Arnold, Bruno Paul, Leo Putz, Paul Höcker, Arnold Böcklin, Alfred Haushofer, Franz von Lenbach, Walter Püttner, Ludwig von Hofmann, Hans Rossmann, Josef Sattler und Franz von Stuck. Ein Teil dieser Personen traf sich bis zum Ersten Weltkrieg alljährlich zu der bekannten „Neubeurer Woche“.

Baronin Julie von Wendelstadt, Gräfin Ottonie Degenfeld-Schonburg mit ihrer Tochter Marie-Therese und Gästen auf der Südterrasse Schloss Neubeuern um 1915


Hugo von Hofmannsthal
1911 in Hinterhör

Die allgemeine Verarmung nach dem Ersten Weltkrieg setzte einen Schlussstrich unter das bisherige Leben auf dem Schloss. Um die weitere Unterhaltung der Anlage zu ermöglichen, entschloss man sich für die Gründung eines Internats nach dem Vorbild der Schule Schloss Salem. Unterstützt wurde die Schulgründung durch Georg Kerschensteiner, Schulpädagoge und Begründer der deutschen Berufsschule.
Am 5. Mai 1923 konnte Schloss Neubeuern seine Tore als Schule öffnen. Erster Direktor wurde der Lateinlehrer Josef Rieder, zu den ersten Schülern zählte Michael Mann, ein Sohn des Schriftstellers Thomas Mann. Weitere Schüler wurden von der Schule Schloss Salem aus vermittelt.


Schloss Neubeuern um 1930

Während der nationalsozialistischen Zeit versuchte Rieder, einen weltanschaulich neutralen Kurs zu steuern, doch die NSDAP betrachtete die Schule als „politisch unzuverlässig“ und ließ sie am 13. Februar 1941 schließen. Um einer Enteignung zuvorzukommen, verkaufte die Baronin im Frühjahr 1942 den gesamten Schlosskomplex an das Deutsche Reich. Daraufhin wurde eine Nationalpolitische Erziehungsanstalt, Napola, im Schloss eingerichtet, die einzige im Reichsgau München-Oberbayern. Wenig später (12. November 1942) starb Freifrau Julie von Wendelstadt.
Während des Zweiten Weltkrieges und in der amerikanischen Besatzung diente die Schule erneut als Lazarett. Nach Ende des Krieges setzten sich die Schwägerin der Baronin, Gräfin Degenfeld, und deren inzwischen in Amerika lebende Tochter, Marie-Therese Miller-Degenfeld, dafür ein, dass der Verkauf des Schlosses für ungültig erklärt und rückgängig gemacht wurde. Frau Miller hatte die Absicht, den Besitz in eine Stiftung einzubringen, deren Aufgabe es sein sollte, die Schule wieder zum Leben zu erwecken.
Im Jahre 1947 trat ein Gründungskonsortium zusammen, und im April 1948 konnte das Schulleben in bescheidenem Rahmen wieder beginnen. Die Wiedereröffnung des Internats als „Privates Landerziehungsheim Neubeuern am Inn“ durch die Stiftung erfolgte schließlich im Juni 1948. Als Beitrag zur Völkerverständigung sollte die Schule von nun an für Kinder und Jugendliche aller Gesellschaftsschichten und Nationen offen stehen. Zudem beherbergte das Schloss Neubeuern eine Jugendleiterschule des 1947 gegründeten Bayerischen Jugendringes, die 1948 unter Leitung des Reformpädagogen Karl Seidelmann stand.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg knüpfte Schloss Neubeuern vor allem literarisch an die Vorkriegszeit mit den „Neubeurer Wochen“ an. Vom 26. bis zum 28. Juli 1947 kam es in Hinterhör bei Altenbeuern zu einem vorbereitenden Treffen der Gruppe 47. Das vierte offizielle Treffen fand bei Gräfin Ottonie Degenfeld in ihrem Besitz in Hinterhör, im September 1948, statt.
Heutiger Träger der Schule ist die «Stiftung Landerziehungsheim Neubeuern». Sie ist ein staatlich anerkanntes neusprachliches und mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium mit Internat und Tagesschule. Die Schule unterrichtet nach dem Lehrplan für Gymnasien in Bayern und soll Schülern den Weg zur mittleren Reife und zum Abitur ermöglichen. Besonderer Wert soll hierbei auf das Konzept einer ganzheitlichen Bildung gelegt werden. Neben dem normalen Gymnasialunterricht soll die Entwicklung der sportlichen, künstlerischen und sozialen Fähigkeiten in besonderer Weise zusätzlich gefördert werden. Zu diesem Zweck existiert ein vielfältiges Angebot von sogenannten Gilden, Arbeitsgemeinschaften, aus denen je nach Altersstufe von jedem Schüler eine bestimmte Anzahl gewählt werden muss.
Das Schloss bot verschiedenen Filmen eine Kulisse. Die bekanntesten sind Johannisnacht (1956) mit Willy Birgel und Hertha FeilerEin Fall für TKKG: Drachenauge (1992) und Crazy (2000), das auf dem gleichnamigen autobiografischen Roman von Benjamin Lebert, der 1998 Schüler im Schloss Neubeuern war, basiert. Sein kritischer Rückblick auf die Zeit im Internat wurde zum Bestseller. Große Teile der Episode Tod im Internat der Fernsehserie Der Bulle von Tölz wurden ebenfalls auf Schloss Neubeuern gedreht. Am 23. September 2006 wurde eine Szene für die ZDF-Serie Die Rosenheim-Cops auf der Südterrasse des Schlosses gedreht. Eine einstündige Reportage über das Internat wurde am 16. August 2009 auf RTL gesendet.